Wolfgang Amadeus Mozart erobert zu seinem 250. Geburtstag die Novitätenlisten der deutschsprachigen Verlage. An die 100 Titel porträtieren den Komponisten aufs Neue, zeichnen penibel Briefwechsel nach oder versuchen Nischen im Lebenslauf zu finden und diese selbst Kindern («Ich bin ein Musikus», Insel Verlag) schmackhaft zu machen.
Mozart und Freud mit verdrehten Augen
16. Dez 2005 11:03
Zweifel an Miniatur-Ausgabe Mozarts
11. Dez 2005 15:01
Radeln auf Mozarts Spuren
01. Nov 2005 11:02
Hotel belohnt Altersunterschied zu Mozart
20. Okt 2005 20:59
Die Neugier auf das Salzburger Genie (1756- 1791) wird in vielfacher Form befriedigt - von der homöopathischen knappen Leseeinheit für die U-Bahn (Malte Korff: «Wolfgang Amadeus Mozart», Suhrkamp; Fritz Henneberg: «Wolfgang Amadeus Mozart», rororo) über Bildbände bis hin zum 4500-seitigen Kompendium («Briefe und Aufzeichnungen», dtv).
Der Fokus liegt weniger auf der Einordnung des Werkes als auf der Persönlichkeit zwischen musikalischem Genie und verarmtem Eigenbrötler, der Wein, Weib und Gesang zu genießen wusste.
Die Vita: Mozarts faszinierende Lebensgeschichte lässt viele Autoren nach unaufgespürten Winkeln und Ansatzpunkten suchen. Geschichtsprofessor Piero Melograni beispielsweise bettet Mozarts Leben in das reiche kulturelle, politische und gesellschaftliche Leben des im Umbruch begriffenen 18. Jahrhunderts ein und erläutert von diesem Hintergrund die Entstehung der Mozart-Opern.
Humorist und Sprachakrobat
Umfassend, lehrreich, wissenschaftlich und dennoch kurzweilig geriet die feinfühlige Analyse des Musikwissenschaftlers Martin Geck (Rowohlt). Er interpretiert auch die Ästhetik des Komponisten. Danach hatte Mozart deshalb Erfolg, weil er anders als zuvor Bach und später Beethoven ohne Bekenntnis, Ethos oder Tiefsinn sein Publikum ansprach und statt auf Formengerüste auf Interaktion setzte.
Gleichwohl war er (unfreiwilliger) Humorist und Sprachakrobat, wie eine im Manesse Verlag (Zürich) erschienene lyrische Scherzi-Sammlung belegt. Die Frauen: Wer den Meister der subtilen musikalischen Erotik als Gigolo wähnt, könnte bei der Lektüre von Enrik Lauers und Regine Müllers «Mozart und die Frauen» (Gustav Lübbe Verlag) sowie Melanie Unselds «Mozarts Frauen» (rororo) enttäuscht sein, denn im Fokus stehen nicht Mozarts amouröse Abenteuer, sondern die prägenden Frauen im kurzen Leben des Komponisten und ihr Einfluss auf den Hofkonzertmeister.
Eine davon ist seine Mutter Anna Maria, mit der Mozart das beschauliche Mannheim verließ, nachdem der gestrenge Vater den Sohn in die Welt schickte mit dem Satz «Fort mit Dir nach Paris». Unter diesem Titel veröffentlicht der österreichische Verlag Jung und Jung Briefe der Mutter und des Sohnes, die von Lebensfreude, aber auch Entbehrung zeugen.
Constanzes fiktive Bekenntnisse
So schreibt sie am 5. April 1778: «Was meine lebens arth betrifft, ist solche nicht gar angenehm; ich size den ganzen tag allein in zimmer wie in arest, welches noch darzue so dunckel ist und in ein kleines höffel geht, das man den ganzen tag die Sohn nicht sehen kan, und nicht einmahl weis, was es vor ein wetter ist, mit hartter miehe kan ich bey einen einfahlenten liechten etwas eniges stricken.»
Die zweite prägende Frau Mozarts, seine Ehefrau Constanze, erzählt im fiktiven, aber akribisch recherchierten Tagebuch-Roman von Isabelle Duquesnoy («Das Tagebuch der Constanze Mozart», Ullstein) auf knapp 500 Seiten von der bewegten Zeit an dessen Seite.
Investigativ nähert sich Lea Singer («Das nackte Leben», DVA), der, wie viele Kritiker immer wieder behaupten, «verschwendungssüchtigen und vulgären Person ohne Bedeutung».
Reiselustiger Mozart
Der Genießer: Musikwissenschaftlerin Eva Gesine Baur lädt «Zu Gast bei Mozart» und garniert in diesem Band der Rolf-Heyne-Collection Biografisches mit Rezepten des Rokoko. Wer sich den Salzburger als grazilen Charmeur vorstellt, der zwischen Morchelsuppe und Fasanenbraten am Fortepiano sitzt, wird jedoch eines Besseren belehrt. Denn der «kindhaft kleine, knollennasige Mann» war ein Drittel seines Daseins auf Reisen.
Als der neue Salzburger Fürsterzbischof dem Jungkomponisten bezahlten Urlaub verweigert, kündigt dieser und schreibt seinem Vater, der ihn mit Diät- und Ernährungsvorschriften belegt hatte, 1777: «Mir ist so feder leicht ums herz seit dem ich von dieser Chicane weg bin! - - ich bin auch schon fetter.» Die Genüsse rund um Rieslingcremesuppe, gefüllten Kapaun oder gebackene Austern sind Appetit anregend zum Nachkochen arrangiert.
Mit Anekdoten würzt Schauspieler Sascha Wussow sein «Mozart-Kochbuch» - eine Sammlung von Rezepten aus der Zeit des Komponisten und von Orten, an denen er lebte oder zu Gast war.
Legenden um frühen Tod
Ein Geheimnis lüftet allerdings keiner der Autoren mit letzter Sicherheit: das um Mozarts Todesursache. Die Legenden um den frühen Tod des 35-Jährigen - von Streptokokken-Infektion über Nierenversagen und «hitziges Frieselfieber» bis Aderlass - reichen für mindestens ein weiteres Werk. (dpa)